Kurzgeschichten

Kurzgeschichten. Wer hat sie in der Schule nicht durchgenommen - und sich vielleicht sogar gelangweilt... Nicht so die Schülerinnen und Schüler der 8. Gymnasialstufe unserer Schule. Nachdem sie diese Gattung im Unterricht bei Frau Hermann kennengelernt und in einer Klassenarbeit gedeutet haben, ging es an die Aufgabe, sich in Zweiergruppen eine eigene Kurzgeschichte auszudenken. Schule als kreative Schreibwerkstatt sozusagen. Dabei kamen beeindruckende Ergebnisse zustande - und die Idee, die zwei besten Geschichten auf unserer Homepage zu veröffentlichen!

In der Geschichte "Die Äpfel" von Lilly Kohlwey und Pauline Thomsen, 8Gb, geht es um den inneren Konflikt einer jungen Mutter. "Verfluchter Krieg" von Jan Fricke und Malte Göpfert, 8Ga, erzählt von einem Soldaten, der sich trotz seiner grausamen Bestimmung dazu entscheidet, seine Menschlichkeit siegen zu lassen.

Viel Spaß beim Lesen!

Die Äpfel

Sie stand da, ratlos. Ihre Blicke gingen hin und her, rastlos. Die Äpfel glitzerten wie frisch polierte Cabrios in der Sonne. Wie schön sie glitzerten! Die Äpfel glitzerten so schön. Jemand tippte sie von hinten an. Eine Verkäuferin, die ihr breitestes Lächeln lächelte. Sie lächelte so breit, dass man alle ihre perlweißen Zähne sehen konnte. „Suchen Sie etwas bestimmtes?“ Die Verkäuferin lächelte sie so an, wie es gerade noch die Äpfel getan hatten. Ihre Blicke schweiften wieder zu den Früchten. Was hätte sie nur alles aus dem blutroten Kernobst machen können? Apfelkuchen,-mus oder -saft für ihre Kinder, Apfelwein oder Essig für sich. Sie wollte gerade fragen, was so eine rotbäckige, glitzernde Paradiesfruchtkosten würde, griff in ihre schäbige Tasche und ertastete zwei Dollarnoten. Nein! Egal wie schön die Äpfel waren, sie brauchte das Geld für andere Dinge. Den billigen Kohl, dessen Gestank, ihre Kinder so verabscheuten und die faden, sättigenden Bohnen. Oder sollte sie doch einen glänzenden, rotbäckigen Apfel kaufen? Er glitzerte so schön in der Sonne, die durch das Dachfenster der Obstabteilung fiel. Sonnengeküsst. Nachdenklich rieb sie die Dollarnoten aneinander. NEIN! Sie konnte ihren Tageslohn nicht für einen Apfel ausgeben. Also trennte sie ihren Blick vom glitzernden Kernobst und schaute der immer noch lächelnden Verkäuferin in die ebenfalls lachenden Augen. „Nein, ich schaue nur.“

 

Verfluchter Krieg

Artyn sieht nach rechts und erkennt das Zischen einer Granate! Er sieht zur anderen Seite und rennt auf ein nahe gelegenes Haus zu. Als er durch ein niedriges Fenster springt, explodiert hinter ihm die Granate. Kurz hört er nur ein Piepsen dann schlägt er auf dem Boden auf, nein, bricht durch ihn hindurch! Er landet in einem Keller und schlägt diesmal wirklich auf dem Boden auf. Das letzte was er denkt, ist: „Verfluchter Krieg!“ Dann wird ihm schwarz vor Augen. 

Er probiert, die Augen zu öffnen. Es geht nicht. Er legt seine gesamte Kraft in diese eine Bewegung und nach ein paar vergeblichen Versuchen schafft er es. Das erste, was er sieht, sind drei dunkle Silhouetten in hellem Licht. Als sein Blick sich schärft, erkennt er drei Kinder, die im Sonnenlicht stehen, welches durch die Decke des Kellers und das kaputte Hausdach fällt. Im Sonnenlicht? Dann muss es Tag sein! Wie viel Zeit mag vergangen sein? Egal, erstmal kümmert er sich um die Kinder. „Versteht ihr mich?“ fragt Artyn. „Ja.“ antwortet der größte der drei. Er mag gerade mal 12 Jahre alt sein. 

„Wo sind eure Eltern?“ fragt Artyn weiter. „Vater ist im Krieg und Mutter haben wir das letzte Mal vor vier Tagen gesehen.“ antwortet der größte wieder. „Verfluchter Krieg!“ denkt Artyn. „Kommt mit, ich bringe euch in Sicherheit. Ihr könnt nicht hierbleiben“ sagt er. „Aber du bist einer von den anderen, das sehe ich an deiner Uniform. Wir dürfen nicht mit euch gehen, das hat Mutter uns gesagt.“ antwortet der Junge trotzig. „Wollt ihr lieber hierbleiben, im Zentrum des Sturmes, mitten im Donner, oder wollt ihr in Sicherheit sein?“ fragt Artyn. Nach einer kurzen Pause antwortet der Junge kleinlaut: „Einverstanden, wir kommen mit. Aber nur, weil wir in Sicherheit sein wollen.“ „Verfluchter Krieg!“, murmelt Artyn.

Etwas später, während sie sich in Richtung Stadtrand bewegen, sagt der kleinste plötzlich: „Ich habe Hunger!“ „Dort ist ein großes Haus, vielleicht finden wir dort etwas zu essen und einen Schlafplatz.“, antwortet Artyn. Denn anscheinend war er mindestens 18 Stunden bewusstlos gewesen, die Sonne geht schon wieder unter. Als sie beim Haus, ankommen hält Artyn inne und besieht es sich genauer. Die Fenster sind verrammelt und in einer Wand ist ein kleines Loch. Aber sonst ist es intakt. Die vier gehen ins Haus und Artyn schaut sich um. Eine Treppe, die auf eine Galerie führt, eine Tür mit der Aufschrift „WC“ und eine Tür mit der Aufschrift „Küche“. Außerdem steht mitten in der Halle ein großes Sofa mit einem Couchtisch. Er geht in die Küche und sieht in den Kühlschrank. Tatsächlich! Es ist etwas zu essen darin. Etwas Eisbergsalat und im Küchenschrank daneben ein bisschen Brot. Das bringt er zu den Kindern, die es sich inzwischen auf der Couch gemütlich gemacht haben. Nach dem Essen gehen sie nach oben und finden ein großes Schlafzimmer mit Wandschrank. Die Kinder rennen sofort zum Bett und legen sich hin. Als Artyn sich gerade auf den Boden legen will, hört er ein Geräusch, das Knacken und Splittern von Holz. Dann eine Explosion! „Was war das?“, fragt das jüngste der Kinder. „Wahrscheinlich eine Bombe! Gut, dass sie nicht noch näher detoniert ist, sonst hätten wir ernsthafte Schäden nehmen können!“, antwortet Artyn. Als sie sich wieder beruhigt haben, legen sie sich wieder hin und schlafen ein.

In der Nacht wacht Artyn auf. Er kann nicht ruhig schlafen. In Gedanken wiederholt er immer den Satz „Verfluchter Krieg!“ Schließlich wird es ihm zu viel, und er beginnt damit, seine Waffe zu reparieren. Gestern hatte er festgestellt, dass sie klemmt. Nachdem er anderthalb Stunden gewerkelt hat, legt er die Waffe zur Seite und legt sich auf den Boden. Dann schläft er wieder ein.

Als er wieder aufwacht, sind die Kinder schon wach. „Zum Glück habe ich das Gewehr gerade noch versteckt!“ denkt Artyn. Er steht auf und sieht auf den nahestehenden Radiowecker: 11:37 Uhr. Artyn schaltet das Radio an und landet mitten in einer ukrainischen Nachrichtensendung. Er dreht lauter. „Und darum, an alle Zivilisten die uns hören: Die Russen haben uns einen Fluchtkorridor gemacht, alle Zivilisten, die nicht kämpfen müssen, können so das Land verlassen. Der Fluchtkorridor befindet sich...“ erklingt die Stimme des Nachrichtensprechers. Artyn hört zu und einen Moment später realisiert er, was der Nachrichtensprecher gerade gesagt hat. Ein Fluchtkorridor! Eine Möglichkeit, die Kinder in Sicherheit zu bringen! Und er ist ganz nah! 36 Kilometer, zu Fuß, mit Kindern zwischen 5 und 12, es ist Viertel vor zwölf...Wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht, werden sie morgen Abend ankommen. Sie laufen um halb eins los. Die Kinder zu überzeugen, die sichere Stadt zu verlassen, war schwer gewesen, vor allem der Älteste der drei war dagegen gewesen. Aber jetzt laufen sie ja hier. „Warum tust du das eigentlich?“, unterbricht der älteste Junge Artyns Gedanken. „Weil ich den Krieg schlimm finde und keinen Sinn darin sehe, dass Ihr dort mit hineingezogen werdet!“, antwortet Artyn. „Oh. Ok.“ erwidert der Junge daraufhin. Sie laufen schweigend weiter. Artyn schaut auf die Armbanduhr, die er in dem Haus gefunden hat. 19 Uhr. Besorgt sieht er auf den Nebel, der von den Bergen aufzieht. Er weiß, dass im Nebel oft Wölfe lauern. Sie müssen schnell einen Unterschlupf finden! Tatsächlich, einige Minuten später hat sich der Nebel wie ein graues Tuch um sie gelegt. Schon hört er leises Wolfsgeheul, welches immer lauter wird. Schließlich bemerkt der Zwölfjährige das Heulen und fragt „Was ist das?“ „Wölfe! Bleibt dicht bei mir!“ antwortet Artyn. Und schon bricht ein Wolf aus dem Nebel hervor und attackiert Artyn. Dieser schießt. Daneben! Aber nah genug um ihn zum Anhalten zu bewegen! Artyn schießt nochmal und diesmal trifft er! Er schießt nochmal in den Nebel und die Wölfe verschwinden.

Sie laufen weiter. Etwa eine halbe Stunde später kommen sie an einem verlassenen Campingwagen vorbei, in dem sie übernachten. Als Artyn am nächsten Tag aufwacht, weckt er sofort die Kinder und sie laufen den ganzen Tag weiter. Am späten Nachmittag rasten sie kurz und essen etwas von dem, was sie im Campingwagen gefunden hatten. Dann am Abend, zieht wieder Nebel auf. Artyn treibt sich und die Kinder an. Der Konvoi muss ganz nah sein! Plötzlich fällt ein greller Lichtschein auf den Boden vor ihm. Er sieht hoch und erkennt den Konvoi! Eine Stimme erklingt und es schallt auf Ukrainisch: „Halt! Stehen bleiben und Hände hoch! Wir werden sonst schießen!“ Aber Artyn hält die Kinder an der Hand und steht vollkommen neben sich. Er tritt einen weiteren Schritt vor. Das nächste, was er realisiert, ist ein Knall und ein stechender Schmerz in der linken Schulter. Er fällt auf die Knie, und in dem Moment reißen sich die Kinder von seiner Hand und laufen los. Er sieht noch, wie sie ihrer Mutter in die Arme fallen, und denkt: „Ich hab's geschafft! Verfluchter Krieg!“ Dann sinkt er in die Welt der Dunkelheit.

 

 

 

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